Ethik als Kampfkunst

Warum sich näher mit Ethik beschäftigen? 

Weil man sonst Gefahr läuft, aus falsch verstandener Ethik sich und Anderen Schäden zuzufügen. 

Weil Andere moralisch anmutende Ansprüche herantragen, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten, den Angesprochenen zunächst aber aus der Fassung bringen. Die Kritik – die Selbstwehr oder auch das Einspringen für Andere – muss gelernt werden. Nachher kann man – soll man sogar – zu Gegenwehr übergehen. 

Weil man nur so zu seinen Handlungen und seinen Äußerungen stehen kann, d.h. diese mit Weitsicht entscheiden. Und somit auch seine Identität bewahren. 

1. Ausgangspunkt 

Niemand ist für alles verantwortlich, aber jeder für etwas.  Es geht also um die Zuweisung bzw. die Übernahme von Zuständigkeiten. 

Demnach wäre jeder für etwas anderes zuständig. 

Wenn es aber im Umfeld zu Veränderungen oder Konflikten kommt, muss die Zuweisung von Aufgaben neu gegliedert (neu gedacht) werden. Bis zu diesem Punkt kann man sich auf die hergekommene Moral berufen, jetzt aber müssen Teile dieser Sitten überprüft und neu gedacht werden. Dies ist die Aufgabe der Ethik bzw. die Moralphilosophie. 

2. Ausgangspunkt 

Der psychologische Realismus: Man schaue danach, wie moralische Empfindungen (beim Kind etwa) entstehen. Man schaue nach den Beweggründen, die den Erwachsenen beeinflussen. Man beachte die Sozialdynamik. Dabei stellt man fest, dass zur „Moral“ zahllose Abstufungen oder Schichten gehören, die sich teilweise beissen. In vielerlei Hinsicht ist jeder ein Gewohnheitstier, das sich nur langsam ändern kann und damit meist langsamer als die Umstände.   

Entgegengesetzte (falsche) Ausgangspunkte: 

Die Moral wird als eine Art Schattengesetzgebung verstanden, als ob sie von Gott oder metaphysisch verfügt wäre. 

Oberstes Ziel, das jeder anzustreben hat, ist das Gute (das Gute an sich). 

Es gehe um Werte, von denen man sich zu leiten hat. Oder um Tugende, die man zu pflegen hat und um Laster, vor denen man sich hüten soll.

Es gehe um Handlungen und einzelne Einscheidungen, die (objektiv) gut oder schlecht (gerecht oder ungerecht) sind, unabhängig vom Ausführenden und größeren Rahmen. Es dürfen keine Situationen (Dilemmas) vorstellbar sein, für die es letztlich keine Lösung gibt. 

Es müssen feste Punkte geben, d.h. Prinzipien, an denen nicht gerüttelt werden darf, sonst ist alles nur noch relativ, und somit wäre alles erlaubt.  

Diese Ansätze laufen unterschiedlich auf einen Reduktionismus, Fundamentalismus oder Obskurantismus hinaus. Es kommen sonst mehrere wiederkehrende Irrtümer vor, so zum Beispiel die Zurückführung der Moral auf Egoismus versus Altruismus, oder auf Mut versus Feigheit, oder auf arbeitsam versus faul, sogar der Rückgriff auf eine vermeintliche Goldene Regel. Es wird sonst die Weigerung, eine Verallgemeinerung zuzustimmen, fälschlich als die Weigerung verstanden, in konkreten Fällen ein Urteil zu bilden (Sprichwort Relativismus).

Grundsätze der Abwehr 

Man gehe mit Verallgemeinerungen und den großen abstrakten Begriffen behutsam um, wie mit großen Tieren. Worte wie Freiheit, Respekt oder Liebe, die vermeintlich Werte darstellen, sind verfänglich: d.h. obwohl komplex, blenden sie wie falsche Gottheiten, wenn sie einmal aus einem konkreten Kontext losgelöst werden. Man bringe in Stellung Begriffe wie Beliebigkeit, Gegenseitigkeit und Ausschluss, um die gelobten Werte zu entkraften oder relativieren.  

In der Logik und in der Erkenntnistheorie haben die (österreichischen und angelsächsischen) Philosophen der ersten Hälfte des Jahrhunderts große Fortschritte gemacht, und deren Einsichten lassen sind auf die Ethik übertragen. So müssten wir wissen, dass Regelsysteme schnell auf Grenzen stossen. Ein weiterer Fehler ist die Annahme (der Hintergedanke), dass ein moralisches System solide gebaut werden müsste, wie ein Gebäude auf gutes Fundament. 

Und wenn die Moral ein Tausendfüssler wäre? 

Das heißt, es geht um irreführende Metapher. Hat man diese einmal erkannt & benannt, und hat man noch eine alternative Metapher parat, so ist die halbe Arbeit getan. Auch die Satire kann Wunder wirken.